Bei fast vierzig Grad im Schatten brutzle ich in einem drei Millimeter dicken Ganzkörpergummianzug auf einem Steg, der direkt ins offene Meer führt. Der Schweiß rinnt mir über die Stirn, die Atmung geht ganz flach. In der Hand halte ich eine Kamera, auf dem Rücken klemmt eine Sauerstoffflasche.
Ich muss verrückt sein, garantiert.
Fast. Mein Name ist Sabrina, ich bin leidenschaftliche Taucherin und Schriftstellerin, die am liebsten über das Meer schreibt. Und in wenigen Minuten werde ich die bunte, schillernde und faszinierende Unterwasserwelt erkunden.
Aber zuerst erzähle ich euch, wie ich überhaupt in diese schwitzige Situation hineingeraten bin und was man mitbringen muss, um ein Taucher oder eine Taucherin zu werden.
1. Tauchen: Faszination und Commitment
Als ich 2012 mehrere Monate durch Australien reiste, führte mich mein Weg unter anderem quer durch Queensland nach Cairns, dem Tor zum Great Barrier Reef. Für viele Taucher ist das Riff so etwas wie der Mount Everest der Bergsteiger (trotz Korallenbleiche, aber dazu später mehr). Dort kommst du am Thema Tauchen nicht vorbei.
Erst recht nicht, wenn du wie ich einen Vater hast, der ebenfalls passionierter Taucher ist und sich nicht einmal von trüben Seen und moosigen Talsperren in Deutschland abschrecken lässt. Also habe ich einen Tauchkurs gebucht und mich ins Abenteuer Unterwasserwelt gestürzt. So fing alles an.
Warum eigentlich Tauchen und nicht Surfen? Immerhin war ich doch in Australien – Bondi Beach, Surfers Paradise und Byron Bay lagen auf meiner Route. Nun, abgesehen von der familiären Vorgeschichte liegt für mich der Reiz beim Tauchen darin, eine Welt zu entdecken, die man höchstens aus Dokumentationen kennt. Korallen, versunkene Schiffe, Fische, Schildkröten und Meeressäuger. Sich in der Strömung wiegende Anemonen mit Clownfischen. All das erspähe ich nur, wenn ich unter Wasser atmen kann, wenn ich Teil dieser einzigartigen faszinierenden pittoresken Welt werde.
(1) Das bin ich, an Land und beim Tauchen, (2) Bunte Korallen, (3) Freundliche Schildkröte, (4) Blaupunktrochen (Fotos: Sabrina Hüsken)
1.1 Tauchen will gelernt und respektiert sein
Bevor es ins Wasser geht, muss man einen Tauchkurs absolvieren. Und das ist auch gut so! „Scuba Diving“ (das deutsche Pendant „Gerätetauchen“ klingt weniger cool) ermöglicht dem Menschen, mittels spezieller Ausrüstung in eine Umgebung vorzudringen, für die er nicht geschaffen ist. Du wirst also an deine äußerste (sportliche) Grenze gehen. Daher ist es essenziell, den richtigen Umgang mit dem Equipment zu erlernen und verantwortungsvoll an das Tauchen herangeführt zu werden. Was viele nicht wissen:
Tauchen ist ein Extremsport – und als solcher meist mit Risiken verbunden. Wer beim Tauchen in kniffeligen Situationen einen kühlen Kopf bewahrt, meistert sie und vermeidet Unfälle, die – wie auch beim Bergsteigen – im schlimmsten Fall tödlich enden können.
Logisch, dass sich ein Großteil der Ausbildung zum Open Water Diver, den ersten Tauchschein, darum dreht, gar nicht erst in Situationen hinein zu geraten, die gefährlich werden können. Außerdem lernst du den Umgang mit dem Equipment, trainierst das Atmen, und wirst zum selbstständigen Taucher qualifiziert. Für das Leihen von Equipment ist der Tauchschein eine Grundvoraussetzung.
Mindestens genau so wichtig beim Tauchen ist körperliche Fitness. Zwar empfinden wir das Tauchen weniger anstrengend als zum Beispiel joggen, aber ohne eine gute Grundausdauer sollte niemand ins Wasser hüpfen. Plötzlich auftauchende starke Strömungen können rasch Energiereserven aufbrauchen. Eine schlechte Kondition führt zu einem erhöhten Sauerstoffverbrauch unter Wasser, weil der Körper mehr arbeiten muss. Das wiederum verkürzt den Tauchgang.
Übrigens, chronische Erkrankungen sind nicht zwingend ein Ausschlusskriterium für einen Tauchschein. Hier empfehle ich, einen auf Tauchmedizin spezialisierten Facharzt zu konsultieren.

Am wichtigsten ist die goldene Regel beim Tauchen: Niemand taucht alleine. Jeder Tauchende hat einen Tauchbuddy – zusätzlich zum Guide oder Tauchlehrer, der die Gruppe anführt. So lernen vor allem Anfänger im Verbund, in unbekannten Situationen professionell zu reagieren – aber auch Profis tauchen immer mindestens zu zweit.
Muss ich also nun Angst vorm Tauchen haben?
Ich sage ganz klar: Nein. Aber ich darf niemals leichtsinnig an die Naturgewalt namens Wasser herantreten. Ich muss den Ozean – und seine Bewohner – mit Respekt behandeln.
1.2 Tauchen im Schnupperkurs kennenlernen
Dich reizt die Unterwasserwelt, aber du bist unsicher, ob Tauchen überhaupt etwas für dich ist? Oder du hast keine Lust, gleich mehrere hundert Euro in einen Kurs zu investieren, um am Ende eine Lizenz zu besitzen, die du nie wieder nutzt? Kein Problem!
Tauchbasen weltweit bieten Schnuppertauchen an – ja, auch in Deutschland! In dem Fall geht’s mit einem ausgebildeten Tauchlehrer wenige Meter unter Wasser – gerade so tief, dass nichts passieren kann. Der Tauchlehrer hält einen die gesamte Zeit an der Ausrüstung fest und übernimmt alle Aufgaben, die man als Taucher während der Ausbildung erlernt.
Falls dich das Tauchen beim Schnuppern packt, kannst du dich immer noch für die Grundtauchausbildung entscheiden. Viele Tauchbasen im Ausland sind der PADI (Professional Association of Diving Instructors) oder SSI (Scuba Schools International) – den weltweit größten Tauchverbänden – angeschlossen. Der VDST – Verband deutscher Sporttaucher vertritt in Deutschland den Welttauchsportverbandes CMAS und hilft dir bei Fragen rund um den Tauchsport gerne weiter – ebenso wie dein lokaler Tauchshop.

1.3 Tauchen in Deutschland
Ich gebe zu, ich bin eine Schönwettertaucherin. Den deutschen Tauchplätzen konnte ich (bisher) nicht viel abgewinnen. Allerdings spricht für einen heimischen Tauchplatz die Nähe und dass man dort ganzjährig tauchen kann. Ob spontan im Sommer oder im Winter am Wochenende, beides ist möglich.
Wer die deutsche Flora und Fauna mag, wird auch ihre Gewässer lieben, denn die heimische Natur hat viel zu bieten: Begegnungen mit Barschen, Stören, Hechten, Aalen, Welsen und Krebsen können genauso spannend sein wie einer Muräne in die Augen zu sehen. Hinzu kommt, man spart sich die weite Anreise oder den Flug.
Was die Kälte betrifft (meine persönliche Hemmschwelle!): alles nur eine Frage der passenden Ausrüstung. Ehrlich gesagt hat mir Maxim, ehrenamtlicher Tauchlehrer im Verein Tauchsportfreunde Nemo die deutschen Gefilde, so schmackhaft gemacht, dass ich mich bereits jetzt auf die kommende Saison freue.
Denn dann werde ich mich zum Advanced Open Water Diver weiterbilden – mit dieser Gerätetaucher-Ausbildung darf ich dann in noch mehr Gebieten und bis zu 30 Metern Tiefe tauchen.

2. Mein perfekter Tauchgang
Zurück zum eingangs erwähnten Steg in Ägypten, wo ich in meinem Neoprenanzug bei heißen Temperaturen an Land schmurgele. Noch.
Mein Partner und ich – sowie der Rest der Tauch-Buddies in der Gruppe – checken gegenseitig unser Tauchequipment und vergewissern uns, dass alles in Ordnung ist. Nun watschle ich mit den Flossen an den Rand des Steges. Unter mir liegt die Wasseroberfläche und einige Meter tiefer verschwommen die Riffkante.
Ich atme durch den Lungenapparat ein, halte meine Maske und alles fest, was mir sonst gegen den Kopf schlagen könnte, hebe das rechte Bein nach vorne – und springe. Sekunden später befinde ich mich endlich im 26 Grad warmen Roten Meer. Meine Gruppe springt nach und nach rein. Endlich geht es für eine gute Stunde unter die Oberfläche.
Der Tauchgang wird perfekt. Nicht nur gut, sondern wahrhaft perfekt.
Ich kenne das Hausriff des Gorgonia Beach Resorts in Marsa Alam, Ägypten, ziemlich gut: Hier habe ich nach einer sehr langen Pause das Tauchen 2018 neu gelernt; ein Großteil meiner Tauchgänge fand genau hier statt. Das Hausriff ist für mich, was für andere Leute ihr Waldstück ist: Ich entspanne, nehme mir viel Zeit zum Fotografieren.
Wir haben vorher abgesprochen, einfach mal das Nordriff abzugrasen. Nicht zu tief runterzugehen, in die kleinen Höhlen an Korallenblöcken reinzuschauen, nach Schnecken Ausschau zu halten.
Am Ende haben wir keine außergewöhnliche Begegnung gemacht, keine Schildkröte oder Muräne, keinen Riffhai und erst recht keinen Delfin gesehen. Nichts, womit man sich in der Tauchbasis messen könnte. Leider kommt auch hier ab und an die „Höher-Schneller-Weiter“-Mentalität durch. Aber das spielt für mich keine Rolle. Mein Grinsen geht von einem Ohr zum anderen. Ich habe meine eigenen Maßstäbe.
(1) Eine Tauchbasis in Ägypten, (2) Blick unter Wasser, (3) Papageienfisch mit großen Beißern, (4) Clownfische (Fotos 2-4: Sabrina Hüsken)
Perfekt ist ein Tauchgang für mich, wenn ich die Welt ausblenden kann, ganz im Hier und Jetzt bin. Wenn ich mich nicht auf mein Equipment konzentrieren muss, weil zum Beispiel Wasser in die Maske läuft oder die Sauerstoffflasche an der Lendenwirbelsäule drückt. Einfach schweben. Dem Ozean beim Leben lauschen. Es knackt und knistert an jeder Ecke. Irgendwo ist immer ein Drücker- oder Papageifisch, der mit seinen großen Zähnen an den Korallen snackt. Mein perfekter Tauchgang ist, wenn ich die Perfektion des Ozeans fühle.
3. Die Welt verändert sich und Taucher tragen dazu bei
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Welt verändert – und der Tauchsport mit ihr. Das Equipment hat sich permanent weiterentwickelt.
Tauchen ist aber auch zugänglicher geworden, genau wie andere Sportarten. Prinzipiell kann man überall, wo es ein geeignetes Gewässer gibt, tauchen lernen. Seen, Flüsse, Talsperren, das Meer. Deutschland, Bali, Ägypten, Australien. An Spots mangelt es nicht.
Entsprechend voller ist es in den Tauchbasen und damit an den Tauchplätzen geworden. Ähnlich wie die Sehenswürdigkeiten über Wasser kämpfen beliebte Tauchplätze mit einem Ansturm an Touristen. Wer glaubt, allein im Wasser zu sei, irrt sich. Eine Entwicklung, die erfreulich für den wirtschaftlichen Erfolg des Tauchens ist, jedoch bedenklich für den Fortbestand der Riffe und der Artenvielfalt des Meeres.
Inwiefern der Tauchtourismus die sogenannte Korallenbleiche beeinflusst, also das Ausbleichen und damit Absterben von Steinkorallen-Stöcken, ist unerforscht. Fakt jedoch ist, dass sich in der Abwesenheit der Touristen während der Corona-Pandemie die Riffe teilweise erholt haben, so zum Beispiel das Hausriff des Gorgonia Beach Resorts, wie mir Murad, Basisleiter der TGI Diving Marsa Alam, mitteilte.

Leider wird auch die „Do not Touch!“-Regel („Nicht anfassen“) immer wieder aus Unwissenheit oder Ignoranz verletzt. Plötzlich erwischt man beim Schnorcheln – irgendwie muss man die Pausen zwischen zwei Tauchgängen sinnvoll füllen – Menschen, die eine Schildkröte festhalten, um besser ein Selfie mit ihr machen zu können. Da fragt man sich schon, wo der gesunde Menschenverstand geblieben ist.
Zwar sind solche Ereignisse eher die Ausnahme, aber meine Unterhaltung mit Murad bestätigte, was ich längst vermutete: der Ton ist rauer geworden. War vor der Pandemie eine Tauchbasis ein Treffpunkt Gleichgesinnter, die alle eine gute Zeit haben wollten, ist die Stimmung oft gereizt, der Anspruch höher und die Hutschnur zum Reißen gespannt.
Ich hoffe, dass die Tauchcommunity schnell zu ihrem alten Selbst zurückfindet: auffallende Gelassenheit.