Surftheorie? Klingt nach grauer langweiliger Materie, die auf dem Surfboard nix verloren hat. Doch obwohl Learning by Doing in Form von Praxis beim Surfen wichtig ist, kommt man ohne formales Grundwissen nicht aus. Surfen lernen kannst du schneller, wenn du nicht nur möglichst oft im Wasser bist, sondern diese Surfpraxis mit theoretischen Kenntnissen untermauerst. Mit der richtigen Surftheorie kannst du zum Beispiel folgende Situationen besser meistern:
- Dein Surfcoach erklärt dir, was du am „Peak“ der „A-Frame-Welle“ zu tun hast und warnt dich vor dem „Shorebreak“. Wenn du jetzt nur wüsstest, was diese Surfbegriffe meinen…
- Du paddelst eine Welle an, andere Surfer um dich herum haben aber genau dasselbe vor. Wer hat Vorfahrt? Gerade an beliebten, vollen Spots wie in Portugal oder auf Bali solltest du die Surfetikette kennen.
- Du kommst nur mühsam durch das Weißwasser, die Wellen nehmen dich zu spät mit oder dein Brett schlackert beim Anpaddeln? Du brauchst Tipps zur Surftechnik.
- Das erste eigene Surfboard oder ein neuer Neoprenanzug muss her. Ein paar Infos zur Bretter- und Materialkunde helfen dir, die wichtigsten Dinge beim Kauf zu beachten.
Puh, klingt fast als wäre Surfen lernen eine Wissenschaft. Kopf hoch, hier kommt die gut Neuigkeit: Seit Mitte 2015 gibt es mit dem Online Portal Surfwissen.de endlich eine zentrale Anlaufstelle, die sich allen oben genannten und weiteren Fragen rund ums Surfen widmet. Dahinter stecken die beiden Surfer Christian und André, die das Portal in ihrer Freizeit mit sehr viel Herzblut aufbauen – und damit Surftheorie sexy, verständlich und leicht zugänglich machen. Und das Beste: Sollte doch eine Frage noch unbeantwortet sein, kannst du sie auf Surfwissen.de einfach einreichen! Ein so tolles Projekt musste ich mir unbedingt näher anschauen und habe die Jungs zum Interview gebeten.

Surfwissen – das Portal für Theorie und Fragen rund ums Wellenreiten
Surfwissen.de als Anlaufstelle von Surfern für Surfer
Wie kamt ihr zum Surfen und wie habt ihr euch kennengelernt?
André: Wir haben uns völlig unabhängig vom Surfen kennengelernt, bei einem Projekt, für das wir 2012 gemeinsam gearbeitet haben. Dann haben wir den einen oder anderen Abend am Tresen mit großem Erfolg verbracht. Dabei hat Christian auch übers Surfen erzählt.
Christian: Ich hatte mit Wellenreiten und Wassersport früher nie was zu tun. Skaten und BMX dominierten meine Freizeit. Bis ich vor 15 Jahren zusammen mit ein paar Freunden auf die Idee kam: „Lass mal Wellenreiten gehen.“ Wir hatten ja keinen Plan, aber letztlich wurde es Marokko mit Anfängerkurs im enDo-Surfcamp in Tamraght. Ein bis heute nachhaltiger Aufenthalt, der mir die Faszinationen fürs Wellenreiten näher brachte. Aus dem Hobby wurde Leidenschaft und letztlich ein Zweitjob: Als Surflehrer, Surfcampleiter und Coach auf Klassenfahrten.
André: Von Christians Enthusiasmus angesteckt, saß ich irgendwann mit ihm im Flieger nach Sri Lanka. Dort hab ich dann – mit über 30 – zum ersten Mal auf einem Brett gestanden und habe sofort kapiert, warum man das nicht mehr sein lassen kann.
Wann und warum habt ihr Surfwissen.de gegründet? Was war die Motivation dahinter, welchen Bedarf habt ihr selbst bzw. von Dritten festgestellt?
Christian: Uns ist einfach aufgefallen, dass gerade Anfänger tausend Fragen haben. Die Antworten, die man im Netz findet, richten sich aber meist an Leute mit Vorwissen. Und so einfache Fragen in einem Forum zu posten, traut man sich nicht bzw. macht man nicht, weil zu häufig die Antwort kommt: „Benutz die Suche.“ Oder die Diskussion schweift vom ursprünglichen Thema ab und es werden Fachgespräche geführt, die für Laien unverständlich sind.
André: Ich denke, dass viele fortgeschrittene Surfer bzw. Coaches oft vergessen, dass das für Anfänger alles neu ist. Das ist gar kein Vorwurf, sondern total verständlich. Ist halt nur manchmal blöd, wenn da einer von „Swell“, „Feintrimm“, „Lip“ und „Close out“ spricht und du als Anfänger nur Bahnhof verstehst. Da helfen wir mit Surfwissen.de definitiv, beim surfen lernen ein paar Hürden abzubauen. Und wenn jetzt zum Beispiel ein Camp unser recht umfangreiches Lexikon übernimmt, haben wir schon was geschafft.
Christian: Den zahlreichen Reiseblogs wollen wir übrigens auch nicht in die Quere kommen. Wir berichten nicht darüber, wie cool surfen ist, sondern bei uns stehen Information, Fragen, Antworten im Vordergrund.
Wie soll Surfwissen.de Anfängern und Fortgeschrittenen dabei helfen, bessere Surfer zu werden?
Christian: Surfen ist ein hochkomplexer Sport und darüber hinaus spielen viele weitere Faktoren, wie Material, Wetter, Wellen, eine wichtige Rolle. Durch mehr Surfwissen bzw. Surftheorie verlieren Anfänger die Scheu, ins Wasser zu gehen. Man lernt, Wellenvorhersagen zu deuten und entsprechend die Destinationen zu wählen. Man kann Gefahren besser einschätzen.
André: Durch diese Surftheorie kann es gelingen, in der Praxis schneller Erfolg zu haben. Klar ist aber auch: Praxis kann man nicht ersetzen. Surfen lernen kannst du nun mal nicht an Land. Aber wir können helfen, den Einstieg zu erleichtern und vielleicht das eine oder andere Fragezeichen im Kopf in ein Ausrufezeichen zu verwandeln.
Do you speak Surf? Die Rolle von Surfbegriffen
Warum sollte man grundlegende Surfbegriffe kennen? Was bringt das beim Surfen lernen?
André: Auch beim Surfen gibt es „Fachchinesisch“, das im Alltag eine Rolle spielt. Das fängt ja schon bei ganz simplen Sachen an wie „Nose“ oder „Break“. Gerade am Anfang sind viele Begriffe aber nicht klar. Das ist ja immer so, wenn man was Neues lernt. Dann unterhältst du dich mit den Coaches und denkst dir bei jedem zweiten Satz: „Moment, was heißt das nochmal?“ Wenn man sich aber auf Surfwissen schon ein bisschen mit Surfsprech und den Begriffen beschäftigt hat, gibt das eine ganz andere Sicherheit.
Was sind Surfbegriffe, die eurer Erfahrung nach oft missverstanden, falsch interpretiert oder am häufig erklärt werden müssen?
Christian: Das ist, glaube ich, ziemlich individuell. Aber es gibt ein paar Facts, die oft zu Missverständnissen führen und die wir mit Surfwissen.de auch ein bisschen aufklären wollen. Bei der Wellenentstehung ist zum Beispiel ein Irrglauben, man brauche starke lokale Winde zum Wellenreiten. Beim Material gibt’s häufig die Fragen: Wie lang sind ein Fuß und ein Inch? Was bedeutet 5/4/3 auf Wetsuits? Was bedeutet Low-entry-Rocker?
André: Auch Verhalten im Wasser ist ein wichtiges Thema: Wie erkenne ich Strömungen? Was sind die Vorfahrtsregeln?

That`s Style: Christian, erfahrener Surfer und ISA-zertifizierter Surfcoach, zaubert auch in kleinen Wellen.
Surftheorie für schnelle Erfolge und mehr Spaß beim Surfen lernen
Was läuft beim Surfen lernen in der Praxis oftmals falsch bzw. wobei gibt es die größten Wissenslücken?
Christian: Bei der Auswahl des Spots. Der Trick ist: Nimm dir Zeit, bevor du ins Wasser gehst. Besonders wenn dir der Spot nicht vertraut ist. Lieber einige Minuten länger am Strand verbringen und den Spot und die Wellen studieren. Erfahrene Surfen ziehen genau daraus ihre Vorteile und erkennen: Auf welchem Weg komme ich bestmöglich ins Line Up? Muss ich da sitzen, wo alle sitzen oder gibt es andere gute Peaks?
André: Genau, auch so was wie: Bin ich gut genug oder wäre ich eine Gefahr für mich und andere? Wie häufig kommen die Sets? Sind die Wellen gleich groß? Wie ist die Strömung heute?
Christian: Auch die optimale Brettlage und die Körperspannung sind so eine Sache. Wenn jemand wie ein gestrandeter Seemann auf seinem Brett liegt, wird die Wellenausbeute sehr gering ausfallen.
André: Da kommt jetzt der Surfcoach durch, hahahaha.
Christian: Wo wir gerade beim Thema sind: Bei Durchtauchtechniken gibt es auch Wissenslücken. „Ich komme nicht ins Line Up, weil ich mit dem großen Brett nicht duckdiven kann“, ist keine Ausrede. Klar, man muss das üben. Was von außen so einfach „Plopp“ ausschaut, ist das Ergebnis von zahlreichen Fehlversuchen.
Wie kann man selbst aktiv dazu beitragen, ein besserer Surfer zu werden? Habt ihr konkrete Tipps?
Christian: Wenn man blutiger Anfänger ist, empfiehlt sich immer der Besuch eines Surfcamps. Wenn dort das Fundament gelegt ist, kann man auch auf eigene Faust Trips machen. Natürlich ist die Surfschule kein Muss. Aber auch wenn man Surfer im Freundeskreis hat, von denen man sich gute Tipps holen kann, so hält das meist nur am Anfang des gemeinsamen Urlaubs. Ein 2-3 stündiges Intensivcoaching durch einen ausgebildeten, motivierten Surfcoach ist da beim surfen lernen zielführender.
André: Es gibt auch massig Literatur – man kann also viel lesen zum Thema. In deutscher Sprache und besonders für Anfänger empfiehlt sich das Buch „Wave Culture“.
Christian: Als deutschsprachiges Forum hat sich Soul-Surfers etabliert.
André: Und Fitness ist natürlich ein Thema. Da bin ich immer ein bisschen schlampig, hahaha.
Christian: Wellenreiten ist wirklich ein extrem anstrengender Sport und erfordert Ausdauer, Schnellkraft, Flexibilität und Konzentration. Man kann sich da unterschiedlich vorbereiten: Ob Laufen, Radfahren, Yoga, TRX, Skaten, Kraftübungen oder Kampfsport. Da findet ja jeder was, das ihm Spaß macht. Ich empfehle die Kombination aus Skaten, Stretching, Schwimmen und Tresen-Workout.
André: Wenn man schon vorm Surftrip fit ist, kommt man einfach besser rein. Im Moment bereite ich mich wirklich mal vor. In ein paar Wochen geht es wieder nach Sri Lanka zum drivethru-Surfcamp. Mein Fitnessprogramm vorher: Ein bisschen Joggen, Skaten, Rudern und Tresen-Sport. Wichtig finde ich, dass es Spaß macht, dann ist der innere Schweinehund ein viel kleineres Problem.

André in Sri Lanka – seit Christian ihn mit dem Surfvirus angesteckt hat, ist er immer bereit für die Fluten.
Surftheorie und Surfpraxis – warum beides wichtig ist
Warum gehören Surftheorie und Praxis beim Surfen lernen zusammen und wie lässt sich beides sinnvoll kombinieren?
Christian: Surftheorie und Praxis gehören zusammen, aber man sollte aus Surfen auch keine hochtrabende Wissenschaft machen und das Ganze verkomplizieren. In jedem Fall empfiehlt es sich, „bewusst zu surfen“, d.h. vor, während und nach der Session auch mit dem Kopf bei der Sache zu sein. Gemachte Fortschritte und etwaige Fehler im Kopf Revue passieren lassen, um für die nächste Session zu lernen.
André: Durch Wiederholen verinnerlicht man Dinge, die im Wasser wichtig sind. Dazu kann man sich dann auch noch was durchlesen und fängt an, immer mehr zu verstehen.
Christian: Das gilt übrigens für Anfänger genauso wie für Fortgeschrittene.
André: Und es macht total Spaß, wenn man irgendwann merkt: „Hey, ich muss im Wasser gar nicht mehr jedes Mal drüber nachdenken, was der nächste Punkt auf der imaginären Checkliste ist – das läuft jetzt einfach so.“
Klasse, vielen Dank für das spannende Interview! Und meine Ausrede, dass nur ein Shortboard sich duckdiven lässt, kann wohl nicht länger so stehen bleiben ☺ Was fällt euch in Sachen Surftheorie oder beim Surfen lernen noch schwer? Gibt es Themen, die euch immer wieder beschäftigen? Und wie bildet ihr euch auf der Theorieebene weiter? Ich freue mich auf eure Kommentare!
Update: Die Plattform Surfwissen.de wurde 2017 leider eingestellt.
2 comments
Ich les mich grad, wo ich auf dem Land festsitze, auch fleißig durch die Theorie, um dadurch immerhin ein bisschen zu „trainieren“, haha.
Hallo Alexandra, sehr vorbildlich und immer eine gute Idee 😉 Auf meerdavon gibts bald auch noch mehr Surftechnik Beiträge!