Als Surflehrer leben und arbeiten – wie Carmen zu ihrem Traumjob kam

by Heidi

Surf Jobs – mit dem Job reisen und surfen! Surfen bleibt für die meisten ein Sport, den man nur im Urlaub ausüben kann. Doch was tun, wenn das nicht mehr ausreicht und man sich im wellenlosen Alltag nur noch zurück ans Meer sehnt? Dann sollte man mit dem Job reisen. Wer sich nicht als digitaler Nomade selbständig machen will oder kann, findet in der Surfszene einige interessante Arbeitsmöglichkeiten – die ich in der Interviewreihe „Surf Jobs – mit dem Job reisen und surfen“ vorstelle. Los gehts mit dem wohl naheliegendsten Jobprofil: Als Surflehrer kannst du täglich im Wasser sein! Wie das in der Praxis aussieht, welche Aufgaben dazu gehören und was Vor- als auch Nachteile sind erzählt die immer gut gelaunte Carmen, die ich im Surfcamp in Sri Lanka kennenlernen durfte. Viel Spaß beim Lesen!

1. Zwischen Wellen und Medizin: Persönliches zu Surflehrerin Carmen

Wer bist du, wie alt bist du und wo kommst du her?

Ich bin Carmen, 25 Jahre jung, Surflehrerin, Krankenschwester und Medizinstudentin. Gebürtig stamme ich aus Bonn, bin surfend viel um die Welt getingelt, aber jetzt in Mainz zum Studium sesshaft geworden.

Wann und wie bist du zum Surfen gekommen? Und wie regelmäßig surfst du seitdem?

Ich war 18 und habe mit meinem damaligen Freund unseren ersten Surfurlaub an der Atlantikküste in Frankreich bei Wavetours gemacht. Ohne große Erwartungen ans Surfen, sondern einfach auf Empfehlung einer Freundin, die uns von ihrem tollen Urlaub dort erzählt hatte. Dass es mich mit dem Surfen so packen würde, hätte ich nicht gedacht. Von da an war ich infiziert.

Seitdem bin ich fünf Jahre lang jeden Sommer in Frankreich gewesen, mal nur zum Urlaub machen und mal als Küchenfee im Surfcamp, wenn die Zeit da war. Zwischendrin waren auch Urlaube in England und Marokko dabei. So richtig intensiv, länger am Stück, bin ich seit März 2014 am Surfen. Anderthalb Jahre war ich als Surferin und Surflehrer unterwegs in Sri Lanka, Indonesien, Australien, was mich letztendlich überhaupt zu meinem jetzigen Surflevel gebracht hat. Und nun bin ich zurück in Deutschland und hoffe sehr, dass ich in den Semesterferien immer noch genügend ins Wasser komme.

Welchen Stellenwert hat Surfen in deinem Leben bzw. was bedeutet es für dich?

Wie man es wahrscheinlich schon erahnt, kann ich ein Leben ohne surfen nicht mehr akzeptieren. Jegliche Urlaube drehen sich ums Surfen und ich habe mein Studium ein weiteres Jahr nach hinten verschoben, um die Zeit in Sri Lanka zu verbringen. Meine Liebe gilt aber nicht nur dem Sport an sich, sondern Reisen, Natur und Meer. Ich liebe es, mit Freunden morgens um 5 bei Dunkelheit aufzubrechen, mit dem Surfboard mitten auf dem Meer zu sitzen und alleine Wellen zu reiten.

Aber auch die Momente, wenn man übel gewaschen wird, auftaucht und ausgelacht wird… Oder zu wissen, dass du es nicht vor dem nächsten heranrollenden Set hinaus ins Lineup schaffen wirst und dir deine Leute von dort aus noch herzlichst zum Abgang winken! Roadtrips entlang der Atlantikküste, zu siebt im Caravan hausend und ohne Dusche, dafür mit Bierchen am Lagerfeuer… Das Ausschlaggebendste sind die Freundschaften, die ich durch das Surfen geschlossen habe. Einen Teil dieser Bekanntschaften zähle ich mittlerweile zu meiner Familie!

Surflehrer Carmen in Ihrem Element

Surflehrerin Carmen in ihrem Element: Perfekter Lefthander in Sri Lanka

Vom Surfer zum Surflehrer – wie kam es dazu und was hast du vorher gemacht? Und wo arbeitest du gerade?

Nach meiner Ausbildung zur Krankenschwester war ich fünf Monate reisen und surfen, bis ich im Oktober 2014 Surflehrerin wurde. Eigentlich wollte ich auf meiner Reise nur Freunde in Sri Lanka besuchen, welche dort das Drivethru Surfcamp ins Leben gerufen haben. Und bei einem Bierchen kam dann das weltbeste Jobangebot von Campleiter Alex: Surflehrer werden, den Schein der ISA [International Surfing Association] machen und für eine Season in Sri Lanka arbeiten. Aus einer Idee wurde ein Entschluss und aus einem halben Jahr wurde ein ganzes.

Bis Mitte Oktober 2015 war ich in Sri Lanka als Surflehrerin tätig, bis ich dann unerwartet einen Studienplatz in Mainz bekommen habe und Hals über Kopf zurück nach Deutschland bin. Wann der nächste Job als Surflehrer ansteht, weiß ich noch nicht. Aber sehr wahrscheinlich in den Semesterferien, ich habe da an Fuerteventura gedacht…


2. Einfach Surflehrer werden? Inhalte und Anforderungen des Jobs

Welche konkreten Aufgaben hast du als Surflehrerin?

Ich gebe zweistündige Kurse im und am Wasser, fünf Tage in der Woche. Neuankommende Gäste müssen natürlich erstmal mit dem Tagesablauf und dem Material vertraut gemacht werden. Am Morgen vor dem Kurs muss geschaut werden, dass alle sicher zum Strand kommen. Dazu gehört das Bestellen der Tuk Tuks [für Asien typische motorisierte Dreiräder], Nachfragen ob alle Gäste dabei sind, die Brettervergabe und die Verantwortung für das behutsame Verladen der Bretter auf die Tuk Tuks.

Am Abend im Teammeeting besprechen sich alle Surflehrer, wie die Kurseinteilung gemacht wird, was der Forecast sagt und welche Spots sich für die Kurse am besten eignen. Wir beraten uns untereinander auch, wenn wir mal Gäste haben, bei denen es surftechnisch nicht voran geht.

Zweimal die Woche haben wir abendliche Theorieeinheiten geplant, in denen alle Gäste Infos über Wellenentstehung, Wellenbrechung, Gezeiten, Boardshapes und Surfetikette erhalten. Zudem gibt es dem Surflevel angepasste Theorie im Kurs, zum Beispiel über den Grünwellenstart und die Positionierung auf dem Surfboard. Einmal die Woche machen wir pro Kurs Videoanalyse, d.h. ich sitze am Strand mit der Kamera, gebe meinen Surfschülern Anweisungen und versuche, möglichst viel auf Video zu bekommen. Das Ganze wird dann ausgewertet, mit der Gruppe angeschaut und besprochen.

 Theorieeinheit am Strand: Surflehrer Carmen erklärt die perfekte Position auf dem Surfboard

Theorieeinheit am Strand: Carmen erklärt die perfekte Position auf dem Surfboard

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?

Am Vorabend machen wir im Team die Kurseinteilung und am Morgen vor dem Kurs geht’s los mit der Organisation: Absprache mit der Gruppe, Tuk Tuks bestellen, Bretter verteilen und verladen, dann die gemeinsame Fahrt zum Spot. Nach dem Spotcheck vor Ort gibt’s eine kurze Theorieeinheit am Strand und anschließend geht es für 2 Stunden zum Surfen mit der Gruppe ins Wasser. Feedback gebe ich sowohl während als auch nach dem Kurs und spreche mit den Leuten über Fortschritte, Bedingungen und Zufriedenheit versus Frustration in der Session.

Am Mittag ist dann Zeit für Yoga, Videos auswerten, Essen, Theorie vorbereiten, Schlafen etc. und so weiter. Danach ist vielleicht noch eine private Sunsetsession im Wasser drin und am Abend verbringt man die Zeit mit Powerpoint-Präsentationen zur Surftheorie, Videoanalyse, Perudo, Schnauz, nettem Beisammensitzen, Bier trinken und hin und wieder einfach mal früh schlafen gehen.

Wie sind die Rahmenbedingungen des Jobs als Surflehrer:

Auf welche Art und Weise bist du als Surflehrerin angestellt?

Mittels Festanstellung im Drivethru Surfcamp für ein Jahr. Das war bisher mein Hauptjob, jetzt mache ich es nur noch nebenberuflich.

Kannst du das ganze Jahr als Surflehrerin arbeiten?

Drivethru in Sri Lanka hat das ganze Jahr geöffnet. Aber das ist natürlich je nach Land und Wellen unterschiedlich. Oft sind die Jobs eher saisonal abhängig. Aber Surflehrer werden dann oft in zwei verschiedenen Ländern eingesetzt und können so durchaus das ganze Jahr beschäftigt sein. Zum Beispiel im Sommer in Frankreich und im Winter in Marokko.

Verdienst du ein Gehalt, von dem du gut leben oder sogar etwas sparen kannst?

Ich habe ein festes Gehalt bekommen und Kost und Logis waren umsonst. Das Geld hat für Flüge, Visa und die ein oder anderen Genussmittel gereicht. Um davon auf Dauer zu leben, ein zwei Monate zu reisen, Urlaub zu machen und vielleicht eine Familie zu gründen, reicht es aber nicht. Ich denke dafür müsste man sich für längerfristig selbstständig machen.

Wie sind deine Arbeitszeiten?

Zu den zwei Stunden Kurs an fünf Tagen in der Woche kommt dazu, dass man quasi 24 Stunden und 7 Tage in der Woche für die Gäste da ist und Zeit für die Organisation benötigt. An den freien Tagen müssen ab und zu die Bretter auf Vordermann gebracht werden. Das darf man nicht unterschätzen.

Man muss dieses Leben in einem Surfcamp wirklich wollen und dafür gemacht sein, mit einem Minimum an Privatsphäre sowie Gästebespaßung rund um die Uhr auszukommen. Aber dann ist es großartig und man kann das alles voll und ganz genießen. Jedes Camp ist in der Organisation und Struktur verschieden. Also sollte Surflehrer werden für dich interessant sein, erkundige dich vorher genau über die Arbeitsbedingungen und mach dir bewusst, wie viel Zeit du für den Job opfern möchtest.

Wie groß ist das Team, mit dem du üblicherweise arbeitest?

Wir sind in der Hauptsaison um die 11 Teamer bei maximal 24 Gästen. Davon 5 Surflehrer, der Rest setzt sich zusammen aus Koch, Yogalehrer/-in und Orga-Leuten.

So manch einer will Surflehrer werden. Welche Anforderungen muss man dafür erfüllen?

Der ISA Schein ist international anerkannt und in den meisten Ländern erforderlich, um überhaupt unterrichten zu dürfen. Zum Beispiel in Frankreich wird das immer überprüft. Zu dieser Surf Instructor Ausbildung gehört auch ein Schein als Lifesaver, welcher regelmäßig aufgefrischt werden muss. Die Erstausbildung zum Surflehrer kann zum Beispiel in Frankreich mit zertifizierten Ausbildern innerhalb von zehn Tagen gemacht werden, erfordert aber auch einen gewissen Grad an Können auf dem Brett. Für Level 1 reicht es, Turns in ihrer Grundform auf der Front- und Backside mit Railwechsel zu beherrschen. Für Level 2 wird dann schon etwas mehr verlangt.

Surflehrer Carmen in ihrem Element: Perfekter Righthander in Sri Lanka

Zu kleine Wellen? Für Carmen kein Problem – sie rockt auch auf dem Longboard!

Über welche Vorteile und Nachteile sollte man Bescheid wissen, wenn man Surflehrer werden will?

Pro: Man kann selbst viel Surfen, ohne dabei ein Vermögen ausgeben zu müssen und ich habe im letzten Jahr für mich so viel an theoretischem Wissen und auch praktisch im Wasser dazu gelernt: Ich bekam ständig Tipps der anderen Surflehrer und gehe auch bei schlechteren Bedingungen ins Wasser, was für das eigene Können nur von Vorteil sein kann. Die ein oder andere spaßige Softboard Session mit meinem Kurs hätte ich alleine mit Sicherheit nicht gehabt und gelegentlich konnte ich mich selbst auch bei den Videoanalysen mit sehen.

Es macht ungeheuerlich Spaß, den Leuten das Surfen beizubringen, zu sehen wie es sie packt und wie großartig das Gefühl ist, das erste Mal auf dem Brett zu stehen. Deswegen mag ich den Anfängerkurs auch so gerne. Das bringt einen selber wieder ein bisschen auf den Boden zurück und rückt den Spaß mehr in den Vordergrund als ständig nur seine Fehler im Kopf zu haben…

Contra: Jeder, der surfen lernen will, macht früher oder später eine Phase der Frustration durch, wo einfach gar nichts funktioniert und die persönlichen Fortschritte stagnieren. Obwohl man weiß, dass diese Phasen normal sind und vorübergehen, können sie auch für den Surflehrer anstrengend sein. Und zwar dann, wenn der Gast nur noch sieht, was alles was schief und den Spaß an der Sache total vergisst – anstelle das Ganze locker zu nehmen.
Und natürlich ist es nicht schön, wenn die Wellenbedingungen nicht das Optimum hergeben und die Gruppe nicht auf ihre Kosten kommt. Dann muss man das Beste draus machen.


3. Surflehrer Lifestyle: Nur Wellen schlitzen und eitel Sonnenschein?

Kannst du Job und Surfen gut miteinander verbinden? Wie oft kommst du selbst ins Wasser?

In meinem letzten Job ließ sich das prima miteinander verbinden. Ich hatte immer noch genügend Zeit selbst surfen zu gehen. Die Bedingungen in Sri Lanka waren in der Hauptsaison so gut, dass man bis zu dreimal täglich surfen gehen konnte. Da hat es nichts ausgemacht, zwei Stunden am Tag Kurs zu geben, zumal man dabei ja auch die ein oder andere Welle surft und im Wasser sein kann.

In welche Länder hat dich dein Job bereits geführt bzw. wo konntest du schon surfen?

Als Surflehrer habe ich bisher nur in Sri Lanka gearbeitet. In Frankreich war ich primär Küchenfee. Und Surfurlaube habe ich in Marokko, England, Australien und Indonesien (Java und Bali) gemacht.

Wie siehst du deine berufliche Zukunft? Willst du den Job noch eine Weile ausüben oder dich verändern?

Ich liebe den Job als Surflehrer. Es ist aber kein Beruf, der mich auf Dauer voll und ganz ausfüllen würde. Ich wollte schon immer Medizin studieren und das wird jetzt erstmal wieder Oberhand in meinem Leben nehmen. Mir hat als Surflehrerin nach gewisser Zeit die Herausforderung gefehlt, das war mir irgendwie noch nicht genug mit 25. Trotzdem würde ich gerne ein paar Monate im Jahr weiterhin als Surflehrer arbeiten.

Was muss man deiner Meinung nach sonst noch über deinen Job wissen?

Wie jeder Job hat auch dieser seine Vor- und Nachteile. Die Traumvorstellung von einem Leben unter Palmen direkt am Meer, Kokosnüsse schlürfend und hin und wieder Surfen zu unterrichten ist vielleicht gar nicht so real, wie man denkt. Mit Sicherheit gibt es Leute, die das hauptberuflich machen wollen, aber auch für die ist es Arbeit und nicht immer einfach.

Ein Leben im Surfcamp kann ganz schön an einem zehren und jeder von uns hat zwischendurch eine ordentliche Auszeit – von Hitze, Sonne, Mücken, einheimischer Arbeitseinstellung und dem Team – nötig gehabt. Im letzten Jahr habe ich die positiven Dinge solcher Auszeiten auch sehr schätzen gelernt, wie die Jahreszeiten, gutes Brot, ein eigenes Zimmer, ruhige Abende vor dem Fernseher, eine schnelle Wundheilung und hin und wieder Haut und Haaren eine Pause von Sonne und Salzwasser gönnen zu können.

Danke für das Interview, liebe Carmen!
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