Surfen ist klasse, keine Frage, und darum probieren es viele gern aus. Doch wer dem Wellenreiten treu bleibt, wird früher oder später auch mit unschönen Dingen konfrontiert: Eigenartigen Platzhirschen im Line Up zum Beispiel, großen Fischen oder der eigenen Angst vorm Wipe Out. Hingegen sind sich viele Menschen der größten Gefahr, die jährlich für unzählige Notfälle sorgt, aber gar nicht bewusst: Der Strömung im Meer. Undertows, Rip Currents und Rip Tides sind sogartige Wasserrückflüsse, die Schwimmer und Wassersportler mitreißen und in Bedrängnis bringen können.
In Costa Rica trieb ich mit zwei Buddies soweit aufs Meer, dass man fast ein Boot holen musste, um uns zu bergen. Der leere Strand sah verlockend aus, die Wellen relativ geordnet und so gingen wir an einer Mole ins Wasser. Plötzlich fanden wir uns viel zu weit draußen wieder, und alles Paddeln half nix: Wir kamen nicht mehr vom Fleck und zurück ans Ufer. Es folgten Panik, Schnappatmung und schlaffe Arme. Und gegenseitiges Anbrüllen, das wir das schaffen. Hat geklappt, auch ohne Boot. Denn das gab es genauso wenig wie menschliche Hilfe.
So etwas Fieses passiert schneller, als du denkst! Heute weiß ich, was damals schiefging, und habe gelernt, besser mit Strömung umzugehen. Denn wenn die Kacke auf offener See am Dampfen ist, kannst nur du selbst dir helfen! Egal ob Surfanfänger oder fortgeschrittener Surfer, egal ob an überwachten Stränden oder einsamen Secret Spots. Darum geht es hier um verschiedene Arten von Strömung, wie du sie erkennst und was du im Notfall tun musst.
1. Strömung im Meer: Entstehung und Einflussfaktoren
Wie der großartige Autor Frank Schätzing in „Der Schwarm“ (lesens- bzw. hörenswert!) so schön sagt: Unsere Erde, der blaue Planet, besteht in erster Linie aus Wasser. Allerdings sind uns die Ozeane genauso unbekannt wie das Weltall! Ein paar Dinge wissen wir zum Glück: Unter anderem, dass das Meerwasser ständig in Bewegung ist. Zwischen den Weltmeeren herrscht ein ständiger Wasseraustausch, Zufluss und Abfluss, und dadurch entsteht Strömung. Als Surfer bekommt man diese Bewegungen zu spüren, kann sie nutzen, aber auch zurecht fürchten. Zuerst müssen wir aber verstehen, woraus Strömung resultiert und welche Arten es gibt.
1.1 Globale versus regionale Meeresströme
Strömung (englisch „current“) bedeutet, dass Wassermassen im Ozean senkrecht oder waagerecht von A nach B fließen. Sie kann also als Oberflächenströmung, Tiefenströmung oder Bodenströmung auftreten, und sich auf riesige Gebiete oder nur auf ganz bestimmte Küstenabschnitte beziehen.
Globale Meeresströme (z.B. die 5 ozeanischen Wasserwirbel) umspannen unsere Erde wie ein Netz und verdanken ihre Existenz der thermohalinen Zirkulation, wobei „thermo“ warm und „halin“ Salz heißt. Meerwasser zirkuliert also, weil es je nach Temperatur und Salzgehalt eine unterschiedliche Dichte hat: Salzwasser ist dichter und schwerer als Süßwasser, und kaltes Wasser ist dichter und schwerer als warmes Wasser. Deswegen hat dein Surfboard z.B. im kalten Salzwasser von Kanada einen höheren Auftrieb als in tropischen Gefilden. Diese räumlich begrenzten Dichte-Unterschiede setzen Wasseraustauschprozesse in Gang, fast wie wie auf einem Förderband. Sie resultieren in kalten und warmen Meeresströmen (siehe unten) mit globaler Wirkung.
„Meeresströmungen und neuere Tieflothungen“ aus Meyers Konversations-Lexikon 11 (4)
Thermohaline Zirkulation spüren wir Menschen nur begrenzt: Beispielsweise durch höhere Wassertemperaturen in der Nähe des Golfstroms oder Upwelling-Effekte, bei denen kaltes Tiefenwasser nach oben steigt und z.B. Portugals Westküste so kühl macht. Im wahrsten Sinne „bewegt“ werden wir aber eher von regionalen Strömungen, die größtenteils von Wellenenergie bestimmt werden: Weil Wassermassen in einem endlosen Zyklus auf das Ufer schlagen und dann wieder zurück gen Meer fließen. Diese Art von Strömung ist auf bestimmte Meeres- und Küstenabschnitte begrenzt und kann uns buchstäblich mitreißen.
1.2 Bestimmte Faktoren verstärken die Strömung
Wie stark sich regionale Strömung an einem bestimmten Ort bemerkbar macht, hängt von einigen Faktoren ab. Dazu zählen beispielsweise:
- Erdrotation: Sie lenkt Strömung in ihre Bahn – auf der Nordhalbkugel mit und auf der Südhalbkugel gegen den Uhrzeigersinn.
- Gezeiten: Je größer der Tidenhub in einer Region ausfällt, desto mehr Wassermassen werden transportiert, und desto stärker ist die Strömung.
- Swell: Großer Swell heizt die Strömung an, da mehr Wassermassen bewegt werden und die Wellenenergie größer ist. Aber Achtung: Auch bei kleinen Wellen kann es tückische Strömung geben, die nicht zu unterschätzen ist!
- Topographie: An Vertiefungen im Meeresboden, Sandbänken und Landmarken (z.B. Molen, Inseln, Halbinseln, Felsen) sowie Flussmündungen fällt Strömung stärker aus.
- Wind: Er zieht Wassermassen durch Reibung als „Driftströmung“ mit sich.
Das bedeutet also, dass Strömung im Meer allgegenwärtig, aber je nach Ort und Zeitpunkt unterschiedlich stark ist. Wie sich so etwas anfühlt bzw. worin hier die konkreten Gefahren für Schwimmer und Surfer liegen, hängt dabei von der Art der Strömung ab.
2. Hui und weg: Drei Arten regionaler Strömung und was sie tun
Strömung ist nicht gleich Strömung. Es gibt verschiedene Arten: Manche jagen Schwimmern und Wassersportlern mit ihrer Gewalt nur einen Heidenschreck ein, während andere auf subtile Weise viel gefährlicher sind. Deswegen ist es wichtig, die Strömungsarten zu kennen und die Begrifflichkeiten – wie es leider oft passiert – nicht durcheinander zu hauen.
2.1 Untertow: Eher harmlose Waschmaschine
„Untertow“ ist ein Sog in bis zu hüfttiefem Wasser, der sich schlimmer anfühlt, als er eigentlich ist. Sobald anrollende Wellen am flacheren Ufer brechen, wird einströmendes Wasser erst gestaut („Uprush“) und fließt kurz darauf wieder ab, weil es die Schwerkraft aufs Meer hinauszieht („Backwash“). Ein endloser Zyklus, der recht geordnet abläuft. Es sei denn, die Wellen – und damit Uprush und Backwash – sind groß und kraftvoll: Dann verwirbeln die brechenden Wassermassen mit Sand und verbinden sich auf dem Rückweg ins Meer mit der nächsten einrollenden Welle. So entsteht eine Waschmaschine, die Schwimmer und Wassersportler ansaugt und vermöbelt.
Auf Fuerteventura saß ich als Knirps auf den vermeintlich sicheren Schultern von Papa, als eine Welle im hüfthohen Wasser brach und uns direkt unter die nächste saugte. Wir flogen beide unter Wasser wild umher, tauchten aber schließlich japsend wieder auf. Papa fand es witzig, ich heulte eine Weile am Strand. Immerhin, passiert ist nix!
Obwohl es sich spooky anfühlt: Ein Untertow zieht dir die Beine weg und wirbelt dich ordentlich umher, doch er verliert sich nach wenigen Metern und saugt dich definitiv nicht aufs offene Meer hinaus! Trotzdem vorsehen sollten sich Kinder, Senioren und andere Menschen, die die nach einer Begegnung mit der Waschmaschine schwer wieder auf die Beine kommen. Eine größere Gefahr und Indiz für Undertow ist hingegen Shorebreak: Wellen, die sich vorm Aufschlagen auf das Ufer sehr steil aufbäumen. Im folgenden Bild siehst du ein schönes Exemplar.
Wirst du vom Shorebreak blöd erwischt, vielleicht sogar stehend mit dem Surfboard, küsst du den Boden und dir fliegt dein Brett um dir Ohren. Meistens geht das irgendwie gut, doch Shorebreaks haben durchaus schon Genickbrüche verursacht. Beobachte also, ob es an einem Surfspot Shorebreak gibt, und wähle eine Setpause, um ins Wasser oder wieder hinaus zu gehen. Und erwischt es dich doch: Tauche unter der einschlagenden Welle gen Meer durch! So fällt der Einschlag weniger heftig aus.
2.2 Rip Current: Diese Strömung kann gefährlich werden!
Die Rip Current wird im Deutschen passenderweise „Brandungsrückstrom“ genannt: Nach dem Brechen fließen Wellen zurück aufs offene Meer – ein Prozess, der an der Uferlinie normalerweise relativ gleichmäßig abläuft. Allerdings geht Wasser den Weg des leichtesten Widerstands: Das kann eine Schneise im Riff bzw. in der Sandbank sein oder eine Barriere (z.B. Buhnen, Felsen, Inseln oder Halbinseln), an der die Wellen in eine Bahn gelenkt werden. Hier geht der Wasserrückfluss schneller und es entsteht eine kraftvolle Strömung, entweder aufs Meer hinaus (Offshore Current) oder parallel zum Ufer (Longshore Current). Es gibt sie sogar in großen Seen und Flüssen!
Wie wir unten zeigen, haben Rip Currents sichtbare Merkmale. Für Laien sind sie teilweise trotzdem schwer erkennbar. Um eine kraftvolle Rip Current für jedermann zu zeigen, hat der National Ocean Service der USA in einem Video-Versuch die Strömung eingefärbt – hier siehst du einen Screenshot.
Eine Rip Current hat so viel Power, dass Surfer sie gern als „Lift“ ins Line Up nutzen. Sie saugt sie förmlich an und erleichtert so das Rauspaddeln. Gefährlich wird es, wenn du diese reißende Strömung unterschätzt, sie dich ungewollt aufs Meer hinauszieht und du dann versuchst, gegen sie anzukämpfen.
Gefährlich ist aber nicht die Rip Current selbst, sondern falsches Verhalten der Menschen, die von ihr erwischt wurden. Denn die Strömung beginnt im Flachen und ist besonders an der Wasseroberfläche so kräftig, dass sie schwimmende Objekte – egal ob Treibgut, Badende oder Brettsportler – mit bis zu 5 km/h bis zu 100 Meter aufs Meer hinauszieht. Dagegenzuhalten wäre selbst für einen Olympia-Schwimmer nutzlos. Stattdessen spart man lieber seine Energie, indem man nicht gegen die Strömung ankämpft, bis sie sich verliert. Wie genau das geht, liest du weiter unten.
2.3 Rip Tide: Gezeitenabhängige und besonders heftige Strömung
Sie wird gerne mit der oben beschriebenen Rip Current verwechselt. Doch wie ihr Name schon sagt, ist die Rip Tide eine Strömung, bei die Tiden (Ebbe = Low Tide und Flut = High Tide) eine Rolle spielen. Rip Tides sind also Gezeitenströme und dort stärksten, wo der Tidenhub – die Veränderung des Wasserstands von Ebbe zu Flut und umgekehrt – besonders groß ist. Mancherorts kann der Tidenhub 5 Meter oder mehr betragen! Dann werden beim Gezeitenwechsel so große Wassermassen bewegt, dass eine starke tidenabhängige Strömung entsteht.
Generell hat eine Rip Tide viel mehr Power als eine „normale“ Rip Current und kann Menschen oder sogar Boote mehr als 500 Meter aufs Meer ziehen. Sie tritt manchmal auf, obwohl gar keine nennenswerten Wellen sichtbar sind. Überzeuge dich selbst in diesem Video von der unglaublichen Kraft vom Saltstraumen Malstrom in Norwegen – einem der stärksten Gezeitenströme der Welt.
Doch wann sind Rip Tides am stärksten? Oft wird Low Tide bzw. eine abnehmende Tide genannt, weil zu diesem Zeitpunkt viel Wasser aufs Meer hinausbewegt wird und Strömung erzeugt. Das gilt besonders, wenn es durch Barrieren oder Meerengen in seinem Rückfluss gehindert wird. Außerdem brechen die Wellen bei Low Tide weiter draußen und teilweise an Sandbänken, die ihren Teil zum Sog beitragen, bis sich diese Wirkung bei steigendem Wasserstand wieder aufhebt.
Leider gibt es aber keine allgemeingültige Regel zu Rip Tides, weil sich die Tiden und der damit verbundene Wasserfluss überall anders verhalten. Forscher der FU Berlin sagen, dass die Strömungsgeschwindigkeit an offenen Küsten tatsächlich bei Low Tide und High Tide am größten ist, in Buchten und an Flussmündungen aber hingegen bei Mid Tide. Fest steht nur, dass der Tidenhub im 14-tägigen Mondzyklus bei Neumond und Vollmond am größten ist. Dann sorgen „Springtides“ dafür, dass die High Tide besonders hoch und die Low Tide besonders niedrig ausfällt.
3. Strömung (er)kennen: So kannst du dich wappnen
Du kennst nun die wesentlichen Arten von Strömung. Und weißt: Im Vergleich zu den meist nur lästigen Undertows geht die größere Gefahr von Rip Currents und Rip Tides aus. Sie sind der häufigste Grund, warum Menschen im Meer in Gefahr geraten: Laut Surfer Today werden pro Jahr über 100.000 Rettungsfälle und Hunderte Todesfälle von Strömung verursacht. Daher sollten wir sie deutlich mehr fürchten als beispielsweise Haie – die in der Unfallstatistik vergleichsweise irrelevant sind. Zum Glück kann man schon vor dem Gang ins Meer einiges tun, um nicht durch Strömung in Gefahr zu geraten.
3.1 Lass dir Strömung in der Surfschule erklären
Begib dich als Surfanfänger in die Hände einer fähigen Surfschule, die dir hoffentlich nicht nur die korrekte Surftechnik zum Surfen lernen näher bringt, sondern auch Wellenkunde und Gefahren im Meer. Dabei sollte das Thema Strömung unbedingt zur Sprache kommen, bevor du sie am eigenen Leibe spürst: Woran erkennt man sie schon an Land? Wie äußert sie sich im Meer? Und was tust du im Ernstfall, wenn es dich abtreibt? Einen guten didaktischen Ansatz zur Erklärung von Rip Currents hat „Dr. Beach“ im folgenden Video; und auch „How to Spot a Rip Current“ ist lehrreich.
Verliert dein Surflehrer über Rip Currents & Co. kein Wort, ist etwas faul bzw. nicht sonderlich daran interessiert, dich zu einem selbstständigen Surfer auszubilden. Frag in dem Fall gezielt nach, was es mit Strömung auf sich hat – oder suche dir gleich eine andere Surfschule. Auf eigene Faust surfen gehen solltest du jedenfalls erst, wenn du auf dem Brett weißt was du tust, und wie du mit möglichen Gefahrensituationen umgehen musst.
3.2 Anzeichen von Strömung: Such danach beim Spotcheck!
Das A und O vor jeder Surf Session ist der Spotcheck, vor allem an dir bisher unbekannten Surf Spots. Schau dir nicht nur das Line Up und die allgemeinen Surfbedingungen an, sondern halte auch nach den folgenden Anzeichen von Strömung Ausschau:
- Fehlendes Weißwasser. Irrtümlicherweise gehen Schwimmer gern dort ins Wasser, wo keine Wellen brechen und ihnen kein störendes Weißwasser entgegenkommt. Doch genau dort lauern die Rips und ziehen sie aufs Meer.
- Unruhiges Wasser. Dort wo Rips sind, erscheint das Wasser teilweise flimmerig und unruhig, ohne das Wellen brechen.
- Andere Wasserfarbe. Bei Strömung fließt das Wasser z.B. dank einer tiefen Schneise im Untergrund schneller ab. Dort kann die Wasserfarbe dunkler aussehen.
- Erkennbarer Sog. Teils ist die Strömung sogar zu sehen, und zwar dort wo z.B. Schaum, Algen, Sand oder anders Treibgut aufs Meer hinausgezogen werden. Oder eben Surfer, die diesen „Channel“ als Lift ins Line Up nutzen.
- Warnschilder, die auf Rip Currents, Rip Tides und andere Gefahren wie große Wellen und Felsen hinweisen. Sie stehen aber nur an belebten Surf Spots. Teilweise gibt es dort auch rote bzw. gelbe Warnflaggen, die große bzw. moderate Gefahren durch Strömung & Co. signalisieren.
Strömung: (1) Zonen ohne Weißwasser, (2) unruhiges Wasser, (3) dunklere Bereiche, (4) erkennbarer Sog, (5) Warnschilder
3.3 Selbsttest in Bildern: Kannst du die Strömung erkennen?
Die genannten Anzeichen von Strömung müssen nicht alle auf einmal an einem Surfspot auftauchen und sind manchmal schwer zu erkennen. Darum probiere, dich etwas zu schulen, und auf den folgenden Bildern die Rip Current bzw. Rip Tide zu erkennen. Bei Bild 1 gibt's noch eine Hilfestellung.
Strömung: (1) Bundoran in Irland, (2) Semi-Secret in Galizien, (3) Ribeira d'Ilhas in Portugal, (4) und (5) North Carolina (National Weather Service)
Wenn du dir vor Ort am Surfspot trotzdem unsicher bist, ob und wo es Strömung gibt, dann frage bei Locals nach. Jeder vernünftige Surfer, der Bescheid weiß, wird dir dazu gerne Auskunft geben.
3.4 Geh nicht alleine surfen!
Den letzten Tipp kann man gar nicht oft genug sagen: Nimm dir einen Surf Buddy mit ins Wasser, mit dem es ohnehin mehr Spaß macht! Oder wähle für Solo Surfsessions zumindest keine komplett einsamen Spots. Denn wenn du hier in Not gerätst, kann dir im Ernstfall keiner helfen.
4. Nur die Ruhe: Wie du dich als Surfer bei Strömung verhältst
Offshore Strömung ist beim Surfen nicht unbedingt schlecht: Sie bildet einen Channel, in dem sich erfahrene Surfer wie mit einem Lift ins Line Up ziehen lassen. Das spart Paddel-Power. Und in Zonen, wo keine Wellen brechen, kannst du schon mal eine kleine Verschnaufpause einlegen. Doch Achtung: Wer ewig im Channel herumsitzt, treibt natürlich nach und nach ab. Manchmal langsam, manchmal schneller. Besonders tückisch ist Strömung, die du erst gar nicht auf dem Schirm hattest, und die dich plötzlich unerwartet erwischt. Wenn es dazu kommt, helfen einfache Verhaltensweisen, um aus dem „Sog“ herauszukommen.
4.1 Orientiere dich und und kontrolliere deine Position
Sobald ich im Line Up ankomme, suche ich mir gut sichtbare und feste Orientierungspunkte: Einen am Ufer (z.B. Haus, Parkplatz, Sonnenschirme) und wenn möglich, einen im Meer. Letzteres funktioniert in Buchten, wo du z.B. mit Blick zur Seite anhand markanter Felsen sehen kannst, wie weit draußen du sitzt. An endlosen Beachbreaks oder Outer Reefs, wo ringsherum nix als Wasser ist, kannst du dich an den anderen Surfern im Line Up orientieren.
Kontrolliere im Laufe der Surfsession immer wieder deine Position: Ist der Parkplatz, wo du reingegangen bist, auf einmal viel weiter links oder rechts? Oder bist du plötzlich viel weiter draußen auf dem Meer als alle anderen? So etwas kann schnell passieren, weil sich die Tide ändert oder du vielleicht zu lange auf deinem Board gesessen und gechillt hast. Passe dann deine Position an, indem du wieder gen Line Up bzw. Peak paddelst, um nicht noch weiter abgetrieben zu werden. Und zwar rechtzeitig, solange du noch genug Power hast!
4.2 Gerate im Notfall nicht in Panik
Es ist passiert und dich hat eine Offshore-Strömung erwischt. Plötzlich sind alle anderen Surfer ganz weit weg und du bist weit draußen auf dem Meer. Leider ist mir das mehrfach passiert. Zuletzt in Neuseeland an einem gigantischen Breachbreak an der Westküste, wo die Strömung tatsächlich so tückisch war, wie alle sagten. Eigentlich hatte ich alles im Griff, meine Position kontrolliert, und auf einmal saß ich ziemlich in der Scheiße. Abgetrieben aufs Meer, alleine, und mit riesigen messy Wellen im Rücken. Genau dorthin wurde ich nun gesaugt und kam nicht mehr von der Stelle. Was nun?
Keine Panik. Klingt blöd, ist aber so. Wer in Panik gerät, beginnt hektisch zu atmen, verkrampft den Körper und verbraucht wertvollen Sauerstoff sowie Energie. Beides musst du aber sparen, um den Rückweg anzutreten, aus der Strömung heraus.
Tja, das war mir in Neuseeland, auf dem Meer dümpelnd wie Robinson Crusoe, irgendwie auch klar. Gruselig war es trotzdem. Um nicht in Panik zu geraten versuchte ich tief atmen und redete mir ein, dass das Ganze ja eher „nervig“ ist als gefährlich sei („Och nööööö!“). Der Gedanke, dass die Strömung einen zwar mitschleppt, aber dich nicht unter Wasser zieht und sich irgendwann verliert, hilft auch. Sobald du ruhig bist, geht’s an den nächsten Schritt.
4.3 Paddle nicht gegen die Strömung!
Gegen die Strömung zu paddeln wäre eigentlich der erste Impuls, doch das ist ein Kampf, den du nicht gewinnst. Viele Schwimmer versuchen diese Taktik, ermüden und laufen dann in Gefahr, zu ertrinken. Und auch abgetriebene Surfer, die gegen die Strömung paddeln, verlieren nur ihre Kraft. Eine Offshore Current hat immer mehr Power als ein Mensch. Dir bleiben aber zwei Möglichkeiten, um wieder aus der Strömung heraus und gen Ufer zu kommen:
(1) Paddle parallel zum Ufer. Die meisten Offshore Rips sind nur wenige Meter breit. Anstatt gegen sie zu paddeln (direkt zum Ufer) ist es also besser, den seitlichen Ausweg (parallel zum Ufer) zu suchen und nach rechts oder links zu paddeln – je nachdem, in welche Richtung es leichter fällt. Sobald das Wasser ruhiger wird und der Sog sich verliert, kannst du eine brechende Welle ansteuern und dich von ihr an Land tragen lassen. Ob rittlings oder bäuchlings ist egal.
(2) Lass dich treiben, bis sich die Strömung verliert, und tritt erst dann den oben beschriebenen Rückweg an. Diese Option kann sinnvoll sein, weil zur Offshore Current manchmal noch eine Longshore Current (Seitwärtsströmung) hinzukommt. Versuchst du also seitlich aus der Strömung heraus zu paddeln, hast du eine 50:50 Chance, die richtige Richtung zu erwischen. Darum empfiehlt Rob „Dr. Rip“ Brandner, Australiens bekanntester Ozean-Forscher, die Energie zu sparen und sich einfach mit der Strömung treiben zu lassen. Oft, so sagt er, verlaufe sie kreisförmig und trägt den Betroffenen sogar wieder ein Stück zurück in Richtung Ufer.
Bekannte Info-Grafik: „Break the Grip of the Rip“ (National Weather Service)
4.4 Gib acht auf deine Mitmenschen
Schütze beim Surfen nicht nur dich, sondern auch andere. Stellst du fest, dass eine andere Person – egal ob mit oder ohne Sportgerät – abtreibt? Dann weise darauf den Betroffenen darauf hin! Vielleicht ist er oder sie sich der Gefahr gar nicht bewusst. Und falls du einen Schwimmer siehst, der aufs Meer hinaustreibt: Organisiere Hilfe! Ohne ein treibendes Surfboard sind die Chancen, aus der Strömung wieder raus zu kommen, nämlich deutlich schlechter.
Titelbild: Oahu 7700 by CucombreLibre, CC BY 2.0
1 comment
Hallo Heidi
Ich habe gerade diesem Beitrag genossen und bin fasziniert 🌊
Bitte gib mir Bescheid falls du mal einen Beitrag über Unterwasserströmungen machst – ich plane Schnorchelabenteuer und habe recht Respekt vor Strömungen.. 🥲