Wie kommt man als Städter auf die Idee, einen Sportbootführerschein zu machen? Als Kind vom Land war es zwar nie mein Traum, zur See zu fahren, aber als Surfer mit Homebase in einer Hafenstadt war der Gedanke nicht mehr ganz fern. Nach kurzer Überlegung ist so innerhalb weniger Monate aus einer Idee unter Freunden und einem offenen Geburtstagswunsch der SBF See (der klassische Bootsführerschein für Motorboote an der See) entstanden.
In diesem Artikel berichte ich davon, was ich mit dem SBF See nun fahren darf (und was nicht). Du erfährst, wie Ausbildung und Prüfung in Schleswig-Holstein abgelaufen sind, wie schwer es war, wie lange dauerte – und was der Spaß letztlich gekostet hat.
1. Bootsführerschein: Wesentliche Fragen
Tatsächlich gibt es Menschen, die kaufen zuerst ein Boot. Andere Glückliche haben zumindest Zugang durch Familie oder Freunde, und machen deshalb einen Bootsführerschein. In meinem Fall gab es alles nicht. Auf die Idee brachte mich ein Freund, der sagte, dass der Sportbootführerschein relativ schnell und günstig gemacht werden kann.
Eine kurze Google Suche bestätigte die Vermutung. Der Sportbootführerschein See und Binnen (SBF See und Binnen) kann tatsächlich auch ohne Vorkenntnisse in ca. 2 Wochen erworben werden und kostet weniger als 500 €, inkl. Kurs- und Prüfungsgebühren. Ein Schnapper dafür, dass er ein Leben lang hält und mir eine ähnliche Flexibilität im Meer verspricht, wie unser Van auf dem Land.
1.1 Welche Bootsführerscheine gibt es?
Zu den wichtigsten Bootsführerscheinen in Deutschland zählen die folgenden, deren Geltungsbereich von zwei Faktoren abhängt: (1) Der Art der Nutzung – privat oder gewerblich, und (2) die Distanz von der Küste, in der man sich gewerblich bewegen möchte. Eine Übersicht findest du auch beim Deutschen Seglerverband.
- SBF See / Binnen (Sportbootführerschein für die See mit Motor / für Bundeswasserstraßen mit Motor und Segel), vorgeschrieben für private Antriebsmaschinen über 15 PS. Wer hierzulande als Privatperson von einem Bootsführerschein spricht, der meint in der Regel den SBF See oder SBF Binnen. Wer allerdings gewerblich Fahrten anbieten möchte, für den reicht dieser Bootsführerschein nicht aus.
- SKS (Sportküstenschifferschein) ist der amtlich anerkannte und vorgeschriebene Bootsführerschein zum Führen von gewerbsmäßig genutzten Sportbooten (Motor und Segel) bis 12 Seemeilen vor der Küste (ca. 22km). Er wird selbst für Charter-Törns benötigt, wenn das Boot weniger als 15 PS hat.
- SSS (Sportseeschifferschein) ist der amtlich anerkannte und vorgeschriebene Bootsführerschein zum Führen von gewerbsmäßig genutzten Sportbooten bis 30 Seemeilen vor der Küste (ca. 55km), sowie in diesen Gewässern: Gesamte Ost- und Nordsee, Englischer Kanal, Bristolkanal, Irische und Schottische See, Mittelmeer und Schwarzes Meer.
- SHS (Sporthochseeschifferschein) ist der amtlich anerkannte und vorgeschriebene Bootsführerschein zum Führen von gewerbsmäßig genutzten Sportbooten weltweit. Ihn benötigst du, wenn es besonders weit aufs Meer hinaus gehen soll.
Der SBF See ist für den SKS, SSS und SHS sowie andere Sonder-Bootsführerscheine immer die Voraussetzung. Daher ist es durchaus sinnvoll, damit anzufangen. Für den SKS müssen zur praktischen Prüfung mindestens 300 gefahrene Seemeilen nachgewiesen werden; für den SSS und SHS sind es sogar 1000 Seemeilen. Daher bieten viele Ausbilder hier gleich einen mehrtägigen Segeltörn an, an dessen Ende die Prüfung abgelegt wird.
1.2 Darf ich ein Boot auch ohne Führerschein fahren?
Wenn du sofort fahren möchtest, brauchst du nicht für jedes Boot unbedingt einen Führerschein. In Deutschland kannst du z.B. an Küsten der Nord- und Ostsee auch ohne Führerschein ein Boot bedienen, wenn es mit weniger als 15 PS motorisiert ist oder eben komplett mit Wind fährt.
Wichtig ist aber, dass dein Boot kein Funkgerät fest verbaut hat, denn dann benötigst du als Schiffsführer einen Funkschein (auf See) und eine entsprechende Funknutzungslizenz. Es ist verboten, ein eingebautes Funkgerät auf deutschen Seegewässern einfach nicht oder ohne Lizenz zu benutzen. Seit 2017 wird ein eingebautes Funkgerät erst, wenn du dich in halbhoher See bewegst (6-60 Seemeilen) – geltende Regeln kannst du hier nachlesen. Die Funklizenz kostet 130 € einmalig und wird bei der Bundesnetzagentur beantragt. Die Kursgebühr kostet je nach Schule ca. 100 €.
1.3 Welche Gewässer und Gesetze werden unterschieden?
In Deutschland und international wird zwischen Binnenschifffahrt und Seeschifffahrt unterschieden. Es gelten die jeweils landesspezifischen Gesetze für Küsten- und Binnengewässer bzw. für die hohe See.
Binnengewässer und Küste
Seen (wie der Bodensee) oder Flüsse (wie der Rhein) sind Binnengewässer. Aber nur, weil es kein offenes Gewässer ist, heißt das nicht, dass der Sportbootführerschein SBF Binnen schon ausreicht. Wir wären nicht in Deutschland, wenn es nicht überall extra Gesetze gäbe:
- Auf dem Bodensee benötigst du z.B. zusätzlich das „Bodenseeschifferpatent“, wenn du mehr als 6 PS Motorisierung steuern willst. Falls du das nur im Urlaub tun möchtest (max. 30 Tage / Jahr), könntest du auch als Inhaber des SBF Binnen ein „Ferienpatent“ beantragen.
- Eine Rheinfähre darf man mit dem SBF Binnen natürlich auch noch nicht führen. Immerhin benötigt man für private Sportboote auf dem Rhein seit dem 1.4.2023 aber erst ab 15 PS Motorleistung (vorher 5 PS) einen Bootsführerschein. Damit entsprechen die dortigen Gesetze nun auch denen der meisten anderen Gewässern in Deutschland.
Zu Küstengewässern gehören in Deutschland i.d.R. alle Gewässer an Ost- und Nordsee, die sich innerhalb einer 3 Seemeilen-Zone befinden und Zugänge zu Binnengewässern darstellen. Beispiele sind das letzte Stück der Elbe in die Nordsee (ab Hamburg Landungsbrücken) oder der komplette Nord-Ostsee-Kanal, der Nord- und Ostsee verbindet. An norddeutschen Küsten gilt z.B. die Seeschifffahrtsstraßen-Ordnung (SeeSchStrO) und die Schifffahrtsordnung Emsmündung (EmsSchO).
Vom Küstengewässer bis zur Hochsee
Innerhalb der 3 Seemeilen-Zone (ca. 5,5 km) spricht man vom Küstenmeer, also Hoheitsgewässern, in denen lokale Festland-Gesetze durchgesetzt werden. Bis 24 Seemeilen knüpft die sogenannten Anschlusszone an, wo nur eingeschränkte polizeiliche Durchgriffsrechte gelten, z.B. bezüglich Einreise und Zollkontrollen. Als Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) wird der gesamte Bereich von der Küste bis 200 Seemeilen (ca. 370 km) bezeichnet, in dem das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen gilt.
Erst außerhalb der 200 Seemeilen Zone (mind. 370km) spricht man von hoher See (oder Hochsee), wo internationales Seerecht herrscht. Dazu zählen z.B. die internationalen Regeln von 1972 zur Verhütung von Zusammenstößen auf See, oder kurz Kollisionsverhütungsregeln (KVR). Die Hohe See steht allen Staaten offen, ob Küsten- oder Binnenstaaten, solange niemand gegen das Völkerrecht verstößt.
Die KVR kann man sich als internationales Regelwerk für Verkehrsregeln vorstellen, das ähnlich wie beim Autofahren funktioniert. Wer in Deutschland einen Autoführerschein macht, der weiß, dass man auch in Australien nicht bei Rot über die Ampel fahren darf. Wenn ich es doch mache, greift der australische Bußgeldkatalog.
Auf hoher See gibt es keinen Bußgeldkatalog, hier darf man theoretisch auch ohne Führerschein fahren. Verursachst du Schäden, müssten diese eigene Versicherungen übernehmen, du die ohne Führerschein aber wohl kaum abschließen kannst. Ein weiterer Grund für den SBF See ist auch, dass du die Strecke zwischen einem Hafen und der 3 Seemeilen-Grenze nicht überspringen kannst, weil der Weg zur hohen See immer über ein lokales Küstengewässer führt. Daher: Ein Bootsführerschein muss sein!
1.4 Was kostet ein Bootsführerschein?
Der Sportbootführerschein ist erstaunlich günstig. Der Wochenend-Kurs für den SBF See kostete in meinem Fall rund 250 €. Dazu kamen noch jeweils 25 € für Navigationsbesteck und die ärztliche Untersuchung; zum Schluss 147,31 € Prüfungsgebühr obendrauf. In Summe also rund 450 €.
Wer den SBF See und Binnen zusammen macht, zahlt eine kombinierte Prüfungsgebühr von 175,62 €, die beim jeweiligen Prüfungsausschuss gezahlt wird. Die Prüfungsgebühren sind übrigens bundesweit gleich, wobei die Ausbildungskosten je nach Bundesland sowie von Schule zu Schule variieren können.
Statt einem Vor-Ort-Kurs könntest du die Fragen auch online pauken. Die Teilnahme an einem Theoriekurs ist nicht zwingend erforderlich, aber hilfreich, wenn du ganz neu in der Materie bist. Unumgänglich ist die Praxisfahrstunde, in der verschiedene Manöver wie An- und Ablegen, „Boje über Bord“ und aufstoppen geübt werden.
2. SBF See in 2 Wochen: So liefen Ausbildung & Prüfung bei mir ab
Ich habe meinen Bootsführerschein bei der Wassersportschule Nord-Ostsee-Kanal absolviert. Dort wird der Kurs für den SBF See in unterschiedlichsten Varianten angeboten, vom Wochenend-Intensiv-Kurs bis zum 6-Wochen-Abendprogramm. Da ich in Flensburg wohne, meldete ich mich für den Wochenend-Powerkurs hier vor Ort an, wo ebenfalls die Prüfung stattfinden sollte. Insgesamt gehörte zum Programm:
- ein Wochenende (2 Tage) theoretische Ausbildung (je von 10-17 Uhr)
- eine Praxisfahrstunde (2 bis 3 Stunden)
- Prüfung (60 Min Theorie + 15 Minuten Praxis)
- Ärztliche Untersuchung (5 Minuten)
All das habe ich in einem Zeitraum von 2 Wochen(enden) absolviert.
Tag 1 und 2: Theorie verstehen & Prüfung vorbereiten
Die ersten beiden Tage vom SBF See-Kurs waren aufregend und anstrengend, weil 90% der Materie für mich neu war. Unsere Gruppe bestand aus 7 Teilnehmern, die sich an den Tischen im Seminarraum der Jugendherberge verteilten – wie früher in der Schule.
Als Nautik-Neuling waren mir viele der Begriffe gänzlich unbekannt. Klar hatte ich schonmal „Backbord“ und „Steuerbord“ gehört, aber wo war was? Und was bedeutete „Achteraus“?!
Einführung in die Theorie
Obwohl es keine Vokabel-Stunde gab, ging es schnell mit dem Kapieren: Unklarheiten wurden beantwortet, Fragen waren erlaubt. Der Ausbilder war nett und führte uns anhand eines Projektors durch alle wichtigen Themengebiete und einige der 300 genormten, stets gleichen Prüfungsfragen durch. Auch 8 der typischen nautischen Knoten wurden vorgemacht (den 9. Knoten – Belegen einer Klampe – übten wir später am Hafen). Insgesamt umfasst der Theorieteil für den Sportbootführerschein SBF See (genau Inhalte siehe hier):
- 72 Basisfragen
- 213 spezifische Fragen
- Seekarten (49 INT 1463) mit 15 Navigationsaufgaben
- 9 Nautische Knoten
Neben der theoretischen Einführung wollte uns der Ausbilder aber in erster Linie fit machen, um später besser eigenständig lernen zu können. Dazu bekamen wir:
- Ein Informationsheft mit wichtigen Infos, z.B. zu Licht- und Schallsignalen, Abkürzungen in Seekarten und mehr, wie Kommandos zu Manövern, die in der Praxisprüfung gefordert werden.
- Verständnisfragen beantwortet.
- Eselsbrücken gebaut und sachliche Zusammenhänge erläutert.
- Navigationsbesteck bestehend aus Geodreieck, Anlegedreieck, Zirkel, Stift (25€ extra)
- Einen Tampen (kurzes Seil), um Knoten zu üben.
Prüfungsanmeldung und Fahrstunden terminieren
Zur Prüfungsanmeldung für den Sportbootführerschein (auch an diesem Wochenende erfolgt) benötigten wir ein Passfoto, sowie eine Kopie von Ausweis und Führerschein. Wer keinen Führerschein hat, benötigt ein polizeiliches Führungszeugnis ohne Einträge.
An Tag 2 kam zusätzlich ein Arzt vorbei, der auf Wunsch die ärztliche Untersuchung vornahm und das erforderliche Zeugnis ausstellte. Dazu gehörte:
- Seetest (Buchstaben lesen)
- Hörtest (Flüstern erkennen)
- Abfrage sonstiger körperliche Einschränkungen
Die Untersuchung dauerte nur rund 5 Minuten pro Teilnehmer und kostete 25 €. Wer das nicht wollte, hätte natürlich auch zum Hausarzt gehen können. So war es aber unkomplizierter.
Zum Schluss vereinbarten wir in Gruppen mit zwei bis drei Teilnehmern jeweils Termine für die Praxisfahrstunde im Hafen, bei der 2-3 Stunden pro Gruppe eingeplant wurden. Die frühesten Termine gab es 10 Tage nach dem Workshop, also nur 2 Tage vor der eigentlichen Praxisprüfung!
Tag 3 – 11: Lernen, lernen, lernen
Im Wochenend-Workshop für den Sportbootführerschein wurden zwar Grundlagen erläutert, aber nur ein paar der Prüfungsaufgaben mit uns durchgegangen. Auch von den Navigationsaufgaben haben wir lediglich eine oder zwei zusammen gelöst. Danach wurde es eigentlich erst richtig ernst:
Um die Prüfung für den Sportbootführerschein zu bestehen – egal ob der SBF See oder ein anderer Schein – musst du zu Hause viel lernen. Ich hatte im Vorfeld gehört, dass es ordentlich Material und damit eine intensive Lernphase sei. Genau das hat sich bewahrheitet! Es war einiges zu tun. Dafür solltest du Zeit einplanen!
Jeden Morgen habe ich zunächst so lange Knoten geübt, bis sie saßen. Neben Knoten binden ist für die Prüfung ebenfalls wichtig, diese inklusive Anwendungszweck benennen zu können. Meine Frau staunte, dass fortan öfters Griffe und Stuhlbeine in unserer Wohnung mit einem hübschen Knoten verziert waren 😉
Beim eigenständigen lernen für den Sportbootführerschein hilft, dass die Prüfungsfragen genormt sind: Die Theorie-Fragen sind Multiple-Choice; immer eine von 4 Antwortmöglichkeiten ist richtig. Bei der schieren Menge an Fragen ist Auswendiglernen keine Option. Zwar helfen “Keywords” in den Antworten und Eselsbrücken, aber ein Verständnis muss man schon entwickeln. Letztlich arbeitete ich jeden der Theorie-Lernbögen mindesten 3x durch und löste die Navigationsaufgaben mehrfach, bis alle Besonderheiten verstanden waren.
Unterstützen kann man beim Büffeln kostenlosen Online-Content nutzen. Mit Plattformen wie online-pruefen.de oder bootspruefung.de kann jeder in seinem Tempo alles wiederholen und besser nachvollziehen. Für Navigationsaufgaben und Knoten gibt es ebenfalls hilfreiche Videos bei YouTube.
Für mich bedeutete das Lernen auch, ein paar Grundlagen wieder reinzubekommen. So musste ich wieder schriftlich multiplizieren und dividieren üben, was für die Navigationsaufgaben benötigt wird. Taschenrechner oder Smartphone sind in der Prüfung nicht erlaubt, doch immerhin durfte ich eine Lupe mitnehmen. Denn trotz bestandenem Sehtest waren einige Kartenausschnitte sehr klein und die Zeichen bei schlechtem Licht nicht einfach erkennbar.
Rückwirkend würde ich sagen, dass der Lernaufwand zwischen dem SBF See Kurs und der Prüfung (2 Wochen) mit etwa 1–2 Stunden Lernzeit pro Tag gemeistert werden kann. Wer sich lieber eine Woche Urlaub nehmen möchte, kann auch alles in einer Woche in Vollzeit lernen. Je nach Kapazität im Kopf kann es natürlich schwerer fallen, alles in kurzer Zeit in den Kopf zu kriegen. Daher empfehle ich die Aufteilung auf die vollen zwei Wochen.
Bei mir machte sich die mentale Überladung in Schusselfehlern bemerkbar. Irgendwann, nach Stunden des Lernens, fehlte einfach die Konzentration und Automatismen setzen ein. Da die Antworten manchmal recht lang sind, geht es ohne Konzentration einfach nicht.
Tag 12 und 13: Fahrstunde – das erste Mal steuere ich ein Boot
Zusammen mit meinem Fahrstundenpartner gehörte ich zu ersten Gruppe, die im Flensburger Hafen die “Mia” steuern durften – ein russisches Boot mit 175 PS Außenborder-Motor, was eigentlich für den Einsatz von Polizeifahrzeugen auf der Wolga gebaut wurde. Trotz etwas Wind und entsprechendem Wellengang auf der Förde standen wesentliche Manöver, Kommandos und Übungen auf dem Übungsplan:
- An- und Ablegen
- Wenden auf engem Raum (im Hafen)
- Boje über Bord-Manöver (Boje retten)
- Knoten machen (inklusive Klampe belegen)
- Handkompass-Peilung
- Kurs nach Bordkompass steuern
Der Ausbilder im Hafen war ein anderer als bei der Theorie, aber ebenfalls nett, wenn auch nordisch nüchtern 😉 Zu dem Zeitpunkt hatte ich die Theorie schon ordentlich gepaukt und würde sagen, dass alles zu 95 % saß. Auch die Knoten konnte ich mittlerweile im Schlaf. Ich war bereit fürs Boot, aber hatte großen Respekt!
Nach dem Betreten des Bootes ging es erstmal sanft los. Wir starteten mit der Handkompass-Peilung. Ich nahm den Kompass in die Hand, legte die Striche übereinander, und las die Zahl ab. Das hatte schonmal geklappt. Auf eine mögliche Fangfrage wies der Ausbilder auch gleich hin („Wir arbeiten ohne Ablenkung beim Handkompass“). Schritt 2 war nicht das Ablegen durch uns Schüler, sondern der Ausbilder fuhr uns zunächst selbst aus dem Hafen.
Gestartet hat der echte Praxisteil mit dem Boje-über-Bord-Manöver (als Ersatz für eine Mann-über-Board-Situation, in die man hoffentlich nie gerät). Jeder von uns durfte rund 5 oder 6 Mal üben, bevor es zurück in den Hafen ging. Ich hörte vom hinteren Bootsteil “Boje über Bord” und musste dann entsprechend als Maschinenführer reagieren:
- Sofort auskuppeln. Hart einlenken in die Über-Bord-Richtung, sodass das Heck von der Boje wegdreht und die Schraube niemanden verletzen kann.
- Kommandos geben: Boje über Bord! Rettungsmittel bereit machen! Ausguck halten!
- Weiterfahren mit dem Wind (dafür muss die Windrichtung bekannt sein). Ein Crew-Mitglied (anderer Schüler oder Ausbilder) sagte die abnehmende Entfernung zur Boje an, z.B. „Zwei Bootslängen Backbord achterwärts“, „Eine Bootslänge Backbord achterwärts.“
- Dann drehte ich in die angesagte Richtung voll ein und steuerte die Boje zentral gegen den Wind an. Ich gab das Kommando “Bereitmachen zum Einholen der Boje an Backbord”.
- Kurz vor der Boje nahm ich das Gas erst zurück, dann kurz davor ganz weg, und lenkte das Boot nach Steuerbord ein, um seitlich an die Boje heranzudriften.
- Ein Crewmitglied griff die Boje seitlich, während ich mit einem kurzen Rückwärtsstoß das Boot aufstoppte bzw. zum Stehen brachte. Dann folgte mein Kommando ”Boje einholen” und das Warten auf die Bestätigung der Crew. Danach war das Manöver abgeschlossen.
Danach stand das zweite wichtige Manöver an, das jeder mehrfach übte: An- und Ablegen. Mir kam es schwieriger vor als das Manöver außerhalb des Hafens: Es war definitiv mehr Vorsicht geboten – wegen der anderen Schiffe im Hafen und der Gefahr, gegen den Steg zu donnern. Am Ende war es Übungssache und mit jedem Mal wurde ich sicherer.
Obwohl ich nach den rund 2 Stunden auf dem Wasser ein gutes Gefühl hatte, freute ich mich, eine zweite Fahrstunde am Folgetag buchen zu können. Es gab einen freien Slot, den wir zu dritt für je 40 € zusätzlich ergatterten. Mehr Wiederholungen sorgten für mehr Sicherheit. Für mich bewirkte die zweite Wiederholung am Folgetag, dass ich viel ruhiger am Prüfungstag antreten konnte.
Tag 14: Theorie- und Praxis-Prüfung
Natürlich waren alle vor dem Prüfungstag aufgeregt, ich auch. Los ging es mit der Anmeldung um 9 Uhr morgens. Neben 7 Teilnehmern aus meinem Kurs kamen 10 weitere Leute dazu. Einige hatten woanders gelernt, andere nur online. Der Raum in der Jugendherberge war allerdings zu klein für alle, weshalb ein erster Teil der Gruppe (mit mir) zuerst zum Hafen geschickt wurde, um mit der Praxis zu beginnen. Von der Jugendherberge liefen wir bequem in 10 Minuten hin.
Im Trio an Prüflingen ging ich mit dem Prüfer und dem Bootsführer (Ausbilder) an Bord. Endlich konnte ich zeigen, was ich gelernt hatte. Das Wetter war grandios: Viel Sonne, kaum Wind und sehr wenig Seegang.
Praxis-Prüfung
Der Praxisteil begann mit der Handkompass-Peilung und 3 oder 4 nautischen Knoten, die wir vormachen und erklären mussten.
Dann legte der erste Kandidat ab, drehte kurz im Hafenbecken und legte sicher wieder an. Dann der zweite, und dann ich. Als letzter im Bunde durfte ich das Boot dann aus dem Hafen manövrieren und den vom Prüfer geforderten Kurs anlegen. Ich bestätigte mit “Kurs liegt an”, bis ich von hinten das nicht ganz so überraschende Kommando “Boje über Bord” hörte und mein Programm abarbeitete. Hat alles geklappt, dann jeweils auch bei den beiden anderen.
Zum Schluss durfte ich das Boot wieder in den Hafen steuern und als letzter zeigen, dass ich ein Boot anlegen kann. Unser Praxisteil endete mit meinem Kommando “Leinen festmachen” und der Bestätigung durch die Crew. Die komplette Fahrt dauerte rund 20 oder 30 Minuten und endete mit dem Satz des Prüfers “Wenn Sie die Theorie jetzt auch so meistern, steht dem Führerschein nichts mehr im Wege”. Super!
Theorie-Prüfung
Zu dritt machten wir uns zu Fuss zurück in die Jugendherberge und bekamen unsere Prüfungsbögen. Ab jetzt 60 Minuten konzentrieren, die Zeit lief… Abgegeben habe ich nach ca. 30 oder 40 Minuten und wartete weitere 5 Minuten, bis der Prüfer seine Schablone angesetzt und am Ende einen Daumen nach oben gab. Bestanden! Und sogar fehlerfrei.
Um auch die Bestätigung vom Hafen zu bekommen, rief der eine Prüfer den anderen an und erkundigte sich nach dem Status aller Prüflinge. Offiziell wurden wir mittags gegen 12 Uhr mit bestandener Prüfung entlassen und konnten mit dem ersten Kaltgetränk anstoßen. 2 Wochen später bekamen wir den Führerschein per Post nach Hause geschickt.
SBF See Prüfungstag: (1) Weg zum Boot, (2) Wasseransichten, (3) Prüfungsraum, (4) Bestanden!
Übrigens haben leider nicht alle bestanden. Ein Teilnehmer unserer 7er-Gruppe hatte sich vorab bereits von der Theorie abgemeldet, weil er nicht ausreichend zum Lernen kam. Ein anderer fiel leider durch, und mindestens eine Kandidatin der „Externen“ ebenso. Manche mussten einzelne Manöver wiederholen, weil der erste Versuch nicht klappte (zum Glück gab es jeweils 2 Versuche).
Insgesamt hieß es, dass eine Durchfallquote von 10 % üblich sei. Das dürfte auch an diesem Tag erfüllt worden sein. Kein Weltuntergang. Der nicht bestandene Teil kann problemlos innerhalb von einem Jahr wiederholt werden. Lediglich die Prüfungsgebühr muss man erneut bezahlen.
3. Eine tolle Erfahrung, die Träume befeuert
Ich bin froh und stolz, den Sportbootführerschein SBF See jetzt in der Tasche zu haben. Für knapp 500 € gab es ganz schön viel Action und das Gefühl, etwas ganz Neues im Leben gelernt zu haben. Auch ohne konkrete eigene Bootspläne darf ich nun zumindest träumen und überlegen, ob nicht auch Chartern bei einem unserer nächsten Trips eine Option wäre. Warum nicht mal im Mittelmeer oder in norwegischen Fjorden für ein, zwei Tagesausflüge ein Boot mieten?!
Das Thema „Boot“ ist seitdem fest in meinem Kopf verankert. Obwohl ich (vorerst) kein eigenes Boot besitze, so nutze ich seitdem jede Gelegenheit, auf Booten zu sein.
So hatte ich z.B. nur wenigen Wochen nach dem bestandenen Sportbootführerschein das Glück, mit meiner Familie in Italien auf dem Comer See ein Sportboot mieten und selber fahren zu können. Ein fantastisches Gefühl, auch wenn ich dafür (zumindest dort) nicht mal einen Führerschein gebraucht hätte. Auf diesem See darf man nämlich sogar bis 40PS ohne Führerschein bedienen.
Nur kurz darauf nahmen wir an der Rum Regatta in Flensburg teil. Nicht mit eigenem Boot, aber auf einem alten 2-Master als „Mit-Segler“ bei einem verrückten Segel-Rennen mitwirken zu dürfen war ebenfalls ein tolles Gefühl.
Außerdem ergab es sich, dass ich jemanden in Flensburg kennenlernte, der mit seinem Segelboot neu in die Stadt gezogen war – und anbot, helfende Hände mitzunehmen. Ein sehr glücklicher Zufall! Mein neuer Kumpel ermöglichte es mir, nun auch selbst mal im heimischen Fjord zu segeln. Wenn du auch solche Buddies suchst, kannst du dich auf Facebookgruppen gezielt umsehen, z.B. unter dem Stichwort „Hand gegen Koje.“
Wusstest du, dass es ein Airbnb für Boote gibt?
Eine Option für weitere Bootserlebnisse in der Zukunft könnten Plattformen wie samboat.de oder gotosailing.com sein. Sie bieten eine Art Airbnb für Boote, auf der Besitzer und Interessierte zusammengeführt werden und alles abwickeln können. Das Modell hat sich bewährt und funktioniert ja auch bereits bei der Campervermietung gut.